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Notiz

Christian Wulff: Der kürzeste Bundespräsident

Christian Wulff: Der kürzeste Bundespräsident

Bundespräsidentenrücktritte gehören ja eigentlich nicht zum Repertoire der Bundesrepublik. Aber nachdem Horst Köhler sich im Mai 2010 nicht mehr im Schloß Bellevue wohl fühlte und vorzeitig seinen Dienst quittierte, ist heute bereits der zweite Bundespräsident als fahnenflüchtig zu verzeichnen. Und wahrscheinlich wurde es auch Zeit, daß Wulff endlich abdankt. Aber ob daraus eine Mode wird?

Es ist viel von der Würde des Amtes des Bundespräsidenten zu lesen gewesen in den letzten Monaten. Darüber, daß Amt und Amtsträger nicht beschädigt werden dürfen von Medien, die möglicherweise eine Kampagne fahren. Und darüber, daß an einen Bundespräsidenten eben notwendigerweise andere Maßstäbe (was moralische Integrität angeht) anzulegen sind, als an einen Landespolitiker aus Hannover. Und nun hat Wulff doch noch kapituliert.

Jetzt haben wir ihn also: den im Dezember und Anfang des Jahres erwarteten Rücktritt, an den man zwischenzeitlich immer weniger glauben mochte. Irgendwie sah es eher danach aus, als hätte Klette Wulff sich erfolgreich an seinen Posten geklammert. Heute aber gab es nun also doch den Rücktritt mit einer kurzen, mal wieder ziemlich selbstmitleidigen Ansprache.

So kurz war keiner

Ganze 19 Monate hat es Christian Wulff im Amt ausgehalten (und eigentlich sollte man ihm noch 1-2 Monate wg. der üblen Hängepartie am Schluß abziehen). Damit setzt er sich immerhin in einer Rangliste an die Spitze. Er ist somit nämlich der Bundespräsident mit der kürzesten Amtszeit. Im Schnitt waren die Herren (eine Frau hat ja leider noch nie die Gnade der Bundesversammlung gefunden) immerhin 74 Monate, also 6 Jahre und 2 Monate im Amt. Die 19 Monate von Wulff stinken dagegen ganz schön ab. (Wenn man Wulff selbst nicht mit einrechnet, dann liegt der Durchschnitt gar bei gut 80 Monaten.)

Wenn sich dieser Trend fehlender Standhaftigkeit weiter fortsetzt, dann haben wir im Jahr 2036 den Bundespräsidenten jeweils noch für genau ein Jahr. Was ja vielleicht auch ganz passend ist. Karnevalsprinzen oder andere Narren amtieren schließlich auch meistens für ein Kalenderjahr.

Noch weiter fortgeschrieben, schneidet die Trendlinie die x-Achse dann im Jahr 2048. In gut 30 Jahren also dann Wechsel im Rhythmus von wenigen Wochen, dann wenige Tage und wie das dann 2048 aussehen wird, wenn zunächst täglich, dann sogar stündlich neue Bundespräsidenten ins Amt kommen (und dann wieder verschwinden) weiß ich auch nicht. Jede Menge Gedränge am Rücktrittspult jedenfalls.

Amtszeiten deutscher Bundespräsidenten
Amtszeiten deutscher Bundespräsidenten

Und das Selbstmitleid von Wulff kann man vielleicht ein wenig besser verstehen, wenn man sich vor Augen führt, wie klein sein Stück vom großen Kuchen der Bundespräsidenten- amtierungsgesamtdauer ist. Lächerlich 19 Monate! Für Wulff! Das hatte sich Christian wohl anders vorgestellt.

Amtszeiten der Bundespräsidenten - Tortendiagramm
Amtszeiten der Bundespräsidenten – Tortendiagramm

 

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